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Angsthunde

In unserer Vermittlung befinden sich eine große Anzahl von scheuen Hunden, aber auch Angsthunde. Die Art und der Umfang der Misshandlungen sind selbst für uns nicht zu verstehen und manchmal kaum zu ertragen. Die „Kreativität“ der Übergriffe kennt keine Grenzen und auch wir sind  trotz unserer langen Erfahrung erschüttert, welche seelischen und körperlichen Attacken die Hunde überstanden haben.

Die Übernahme eines Angsthundes ist eine enorme Aufgabe, die viel Zeit und Geduld erfordert. Wer einen solchen Hund übernimmt, muss sich im Vorfeld darüber im Klaren sein, dass viele Wochen und Monate ins Land ziehen werden, bis der Hund endlich Vertrauen fasst. Auch ist es mit vielen Rückschlägen verbunden. Was der Hund heute perfekt und ohne Angst umsetzt, kann morgen schon wieder vergessen sein.

Viele Adoptanten werden bis an ihre Grenzen geführt, manche sogar bis weit über diese. Das Mitleid, die Verzweiflung und die Machtlosigkeit dem Hund kein positives Lebensgefühl vermitteln zu können, das Vertrauen nicht zu erlangen, gehört wohl zu den schwierigsten Hürden dieser Arbeit. Zumal die Arbeit im Gegensatz zu unserer Lebensweise steht. Angst versuchen wir bei unseren Mitmenschen durch Trost, Zuspruch und Motivation wieder in den Griff zu bekommen. Dies ist im Fall eines Angsthundes genau der falsche Weg. Sie „sprechen eine andere Sprache“ und reagieren auf diese Signale anders als von uns erhofft und erwünscht.

Trost und Zuspruch versteht der Hund als Bestätigung seiner Angst und dem damit verbundenen Verhalten. Er wird sich nicht ändern und die Angst bleibt sein ständiger Begleiter.  Man muss die Angst also ignorieren, indem man sich z.B. umdreht und einfach geht. Für uns Menschen ein atypisches Verhalten, aber für den Hund der einzige Weg. Dies erfordert für beide Seiten eine enorme Kraft. Wie gerne würde man seinen Vierbeiner in die Arme nehmen, ihn streicheln und beruhigen. Die traurigen und verzweifelten Augen, die uns anschauen und trotzdem muss man dies ignorieren.

Die ersten Spaziergänge sollten im Garten gemacht werden und auch immer doppelt gesichert am Halsband und Geschirr. Vieles ist neu und vieles bereitet dem Hund Unbehagen. Jeder Meter ist ein kleiner Erfolg. Ruhe ist die wichtigste Grundlage für die ersten gemeinsamen Runden. Ein gemütliches und ruhiges Plätzchen im Haus gehört ebenfalls dazu. Der Hund sollte seine Ruhe finden können, abseits vom Alltagsleben, also nicht in Laufzonen oder in der Nähe von Türen. Sondern so, dass er die Familie beobachten und sich langsam an die Menschen und Geräusche gewöhnen kann. Überlassen Sie es dem Hund den Zeitpunkt zu finden, wann er die Räume erkundet und sich in kleinen Schritten in das Leben integriert.

Wichtig ist ein gleichbleibender Tagesablauf, Hunde lieben ein geregeltes Leben. Überhäufen Sie den Hund nicht mit „zu viel Liebe“, lassen Sie den Hund zu sich kommen. Die Neugier besiegt in der Regel die Angst, denn auch diese Hunde wollen leben und geliebt werden, Geduld ist der Schlüssel. Jeder dieser Hunde „erzählt“ uns im Laufe der Zeit seine Geschichte, zwar nicht in Worten, aber wir können vieles durch das Verhalten ableiten. Sie zeigen uns wovor sie Angst haben und die Palette ist breit gefächert: Stöcke, Staubsauger, Männer, Gummistiefel, dunkle, enge Räume, Stimmlagen, Hüte, Kappen usw. Probleme werden nicht ignoriert oder man geht ihnen aus dem Weg, der Hund wird langsam und konsequent herangeführt. Man kann die Welt nicht für den Hund ändern, das ist leider unmöglich, aber man kann sie mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen wieder in das normale Leben zurückführen.

Wir bemühen uns immer eine richtige Einschätzung über das Verhalten des Hundes zu bekommen. Durch unsere Besuche in den Tierheimen und in enger Zusammenarbeit mit den Pflegepersonal und Tierärzten wird eine Beurteilung der Hunde verfasst. Trotzdem sind die meisten Hunde in den Tierheimen sehr nervös und gestresst. Die Enge der Zwinger, das laute Gebell von bis zu 350 Hunden und auch die Monotonie können manchmal zu einer ungenauen Beschreibung führen. Oft zeigen sich die Hunde von einer anderen Seite, als wir bzw. das Tierheimpersonal sie kennt. Die ersten Tage in ihrem neuen Zuhause verbringen die Hunde meistens mit einem ausgiebigen Nickerchen, sie erholen sich und danach blühen sie regelrecht auf. So mancher Hund, der von uns als ängstlich und unsicher eingestuft worden ist, entpuppt sich als Frohnatur. Wiederum andere sind mit der Umwelt und deren Einflüsse vollkommen überfordert. Mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl kann man die Hunde in die richtige Richtung lenken.

Es gibt keinen umfassenden Leitfaden oder ein einheitliches Konzept, um den Angsthunden zu helfen. Jeder Hund hat seine Erlebnisse, sein Misshandlungen durchlebt und jeder reagiert auf seine Art darauf. Die Arbeit mit solchen Hunden ist jeden Tag eine neue Herausforderung, eine Gratwanderung.

Wer dies unter dem Aspekt sieht „Ich rette einen Hund“ und eine Hunde-Romantik erfüllt mit grenzenloser Dankbarkeit erwartet, wird eine bodenlose Enttäuschung erleben. Der Weg bis zum Erfolg geht durch viele tiefe Täler verbunden mit vielen Rückschlägen. Es kann viele Wochen und Monate dauern, bis der Hund endlich Vertrauen gefasst hat. Aber wer mit einem solchen Hund durch diese Täler geht, wird den Tag erleben, wenn er wedelnd vor einem steht, vorsichtig die Annäherung sucht, behutsam die Hände ableckt und auf seine ihm eigene Art Danke sagt.

Wir, die HundeNothilfe e.V., werden Ihnen während dieser Zeit mit unseren Erfahrungen zur Seite stehen und Sie begleiten, bis wir sehen, dass der Hund endlich bei Ihnen angekommen ist.

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